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Trostlosigkeit und fehlende Perspektiven

Wieder in Inuvik zurück, kauft Christoph noch einige Kleinigkeiten ein. Wir anderen drei warten im Wagen und wir haben wohl den allgemeinen „Säufer-Treffpunkt“ angesteuert. Draußen sitzen drei erbarmungswürdige Gestalten auf einer Veranda, sichtlich alkoholisiert und trostlos. Zwei Männer, eine Frau. Die Frau scheint am meisten intus zu haben. Da es in Canada verboten ist öffentlich Alkohol zu trinken, klammert sich die Frau an eine Wasserflasche, der vermutlich mit höherprozentigem als Wasser gefüllt ist. Einer der Männer versteckt den Fusel unter seinem Hemd. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass er sich mit „Listerine“, einer Mundspülung zudröhnt. Ein probates Mittel, dass auch durchaus Jugendliche, die noch keinen Alkohol in Deutschland kaufen dürfen, für sich nutzen. Günstig noch dazu.

Kirche von Inuvik - in die jahre gekommen
Hier stellen wir auch fest, dass es einen himmelweiten Unterschied zwischen den Menschen in Inuvik und Tuktoyaktuk gibt. In Inuvik, die Frauen aus dem VC mal ausgenommen, kommen uns die Menschen verwahrlost, ohne Aufgabe und damit perspektivlos vor, egal welchen Alters. Das 3000 einwohner zählende Örtchen hat auch nicht viel zu bieten, wenngleich es sehr wohl Öl- und Gasindustrie gibt. Aber wohl nicht ausreichend Arbeitsplätze. Die Leute haben einen grundtraurigen Blick. In Tuk hingegen begegnen wir fröhlicheren Menschen, die versuchen, mit der neuen Straße und den sich für sie daraus ergebenen Möglichkeiten, umzugehen und sie ins, für die mehr oder weniger neu gegründete Community, Positive zu wandeln. Bestes Beispiel dafür die Frau aus dem VC in Tuk, mit der die Kinder morgens gesprochen hatten. Sie erzählte, dass ihr Großvater Deutscher gewesen sei (Zweiter Weltkrieg) und sie sich darüber amüsiere, warum sie so wie ein „Eskimo“ (ihr Zitat!) aussähe, weil ihr Vater klein und rothaarig war.

Visitor Center von Tuj

Im Widerspruch dazu steht die Aussage des Police Officers, der uns die T-Shirts verkauft hat, dass er unglaublich viel zu tun habe. Manchmal 2 ½ Tage ohne Schlaf. Was denn die hiesigen Probleme seien, fragte ich ihn. „Der Alkohol“. Seit es Alkohol gäbe, hätten die Straftaten zugenommen, häusliche Gewalt, Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Waffengewalt, sexuelle Übergriffe, Diebstahl. Trotzdem hätte er seine Dienstzeit hier (er stammt aus Nova Scotia) nach den zwei vertraglich vorgesehenen Jahren und ein weiteres verlängert. Es gefiele im hier. Frau und zwei Kinder habe er. Aber sie wollten ach Nova Scotia zurück und so musste er sich für eine „schlechte“ Dienststelle verpflichten, um dann wieder an eine „gute“ zu kommen.

Als die Beluga-Wale gesichtet wurden, verließ die Dame mit deutschen Wurzeln ihr Büro und kam auf die Klippe, auf der auch wir standen und die Tiere beobachteten. Sie berichtete Mara, wie die Inuvialuit (Mehrzahl von Inuvit) mit gefangenen und geschlachteten Belugas umgingen, dass es für sie immer noch ein besonderes Ritual sei, das Dorf sich versammelt und für das Tier betet, etc. In Tuk leben ca. 900 Menschen und etwa 50 Beluga Wale braucht es, um den Ort und seine Einwohner über den Winter zu bringen. Den zum Trocknen aufgehängten Stockfisch, haben wir hier nicht an den Häusern gesehen. Falsche Zeit oder machen sie es nicht mehr?

Zurück im Visitor Center von Inuvik (es empfiehlt sich immer sie aufzusuchen), mussten wir erfahren, dass die Fährverbindung wieder eingestellt wurde. Zu viel Regen, der den Strom noch reißender und alles Aufschütten von Schotter zur „Befestigung“ von Auf- und Abfahrt sinnlos macht, da es in mir-nichts-dir-nichts vom Fluss wieder mitgerissen wird. Nichtsdestotrotz wollen wir so nah an die Fähre dranfahren wie möglich, in der Hoffnung doch noch übersetzen zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Christoph steuert den Wagen sicher, aber hat dabei seine Augen für Wildlife immer noch offen. Er erspäht einen Biber in einem See rechts von uns und hält an. Zwei Biber sind es sogar, die ihrem Tagwerk nachgehen und mit einem festen Platschter mit der Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche abtauchen. Das sieht spaßig aus. Schreiend fliegt ein Weißkopfadler zu seinem Aussichtspunkt in einem weiter entfernt gelegen Baum und ich kann ihn mit dem Fernglas meines Vater, dass ich eigens zu Zwecken der Tierbeobachtung dabei haben wollte hatte, ausmachen. Wieder ein schönes Ereignis. Des Bibers Tagwerk

Mit der Fähre sollte so bleiben. Keine Aussicht, dass es am Abend noch weitergehen würde. Also fahren wir den einen Kilometer zurück an den Campground Nintainlaii und natürlich sind wir wieder so spät dran, dass dort niemand mehr war, wo wir die Nacht vom 25. auf den 26.08. hätten bezahlen können, noch das Geld für die kommende. Also verschieben wir dieses Vorhaben auf den nächsten Tag. Irgendwann muss ja mal jemand da sein. Allerdings begann ich mich zu fragen, ob die nicht-Besetzung des Postens auch etwas mit der fehlenden Flussüberquerung zu tun haben könnte, je nach dem, woher der oder die Mitarbeiter_in herkommt. Ich hatte erwartet, dass der Platz deutlich stärker frequentiert sein würde, da ja diverse andere Reisende auch noch strandeten, aber dem war nicht so. Wir hatten nahezu freie Wahl. Lucas parkt den Wagen, ausnahmsweise mal vorwärts in die Parklücke ein und ließ ihn dann noch rückwärts auf die zum Höhenausgleich nötigen Keile rollen.

Arbeiten an der Fähre